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Frauchen ich bin so müde, das hündische Burnout.

Der muss aber ausgepowert werden! 

Bis heute bekomme ich Gänsehaut bei diesem Satz. 

Mit einem Border Collie an meiner Seite, bin ich prädestiniert, in die Auspowern-Falle zu tappen und ich bin mächtig in die Falle getappt. Wenn ein Border Collie nicht am Schaff arbeiten kann, benötigt er schließlich eine artgerechte Auslastung. Agility, Dog-Frisbee, Joggen und stundenlange Spaziergänge mit wilden Renneinheiten und bitte die Kopfarbeit nicht vergessen. 

Mein Luke war bereits als Welpe ein recht aufmerksames und sensibles Kerlchen und als gute Hundemama nahm ich ihn auch überall hin mit. Ins Büro, ins Restaurant, in den Park und auf gemeinsame Ausflüge ins Umland. Er sollte schließlich alles kennenlernen. Am Wochenende ging es brav in die Welpenstunde. Er spielte und meisterte die üblichen Laufeinheiten über unterschiedliche Untergründe sehr gut. Bis er eines Tages wild hin und her rannte und nicht zu stoppen war. Ein ernstes Gespräch mit der Trainerin folgte und es war die Rede von kompletter Unterforderung und es ist ja nun schließlich ein Border Collie, der arbeiten möchte.  Da Luke erst fünf Monate alt war, fragte ich nach, ob es denn in Ordnung sei, mit ihm zu joggen und Hundesport zu betreiben. Als Neuling in der Hundewelt vertraute ich auf ihr Wissen.

„Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause.“

Elizabeth Barrett Browning

Hoch motiviert verließ ich den Hundeplatz und am nächsten Morgen ging es ausgerüstet mit Laufgurt und Laufgeschirr in den Wald.  Auch die abendlichen Laufrunden mit Hunden unterschiedlichen Alters auf dem Feld sollten nicht fehlen. Tagsüber fuhren wir durch die Stadt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit und Luke verbrachte den Tag im Büro und wieder zuhause angekommen ging es dann aufs Feld. 

Einen Monat später, nun in der Junghunde Gruppe in der Hundeschule, rannte er nicht mehr aufgeregt hin und her, sondern akzeptierte nur noch bestimmte Hunde in seiner Nähe. Dieselbe Trainerin rief nun lautstark über den Platz, dass dieser Border Collie hier ganz schön viel Unruhe reinbringt. Kurz danach fing Luke an Kollegen*innen im Büro anzuspringen und bellte auch lautstark Menschen in der Öffentlichkeit an. Es folgte ein massive Leinenaggression und Artgenossen waren nun nicht mehr erwünscht. Die Hunde aus unseren abendlichen Treffen wurden zwar akzeptiert, aber er hielt nun immer mehr Abstand. Es waren nun bereits zwei Monate nach unserem Gespräch mit der Trainerin vergangen und es schien mir eher schlechter als besser zu werden. Ich entschloss mich die Trainerin zu kontaktieren, um ein Training abzusprechen. Leider hatte sie keine Zeit für solche Sonderfälle.

Mit 7 Monaten sprang Luke bei jedem Reiz in die Leine und war nun auch kaum ansprechbar. In den nächsten Monaten konnte ich ihn nicht mehr zur Arbeit mitnehmen und ich suchte verzweifelt eine Hundetagesstätte. Nach einigen Absagen fand ich dann eine HuTa direkt in der Nähe. Es folgte eine kleinteilige Eingewöhnung und er ging zielstrebig in die HuTa hinein und freute sich, wenn er den Trainer sah. Die Ruhezeiten verbrachte Luke in einer Box und die Spielzeiten mit ihm bekannten Hunden auf dem Platz. Als ich ihn am Nachmittag abholte, war er müde und wirkte zufrieden. 

Weiterhin versuchte er mit allen Mitteln fremde Hunde von sich zu halten, sprang in die Leine bei jedem vorbeifahrenden Auto oder Fahrrad und verbellte große und kleine Menschen. Es gruselte mich mit ihm spazieren zu gehen und am liebsten packte ich ihn ins Auto und fuhr ganz weit weg in die Einsamkeit. Ich konnte es gar nicht glauben, wie viele Dinge es in der Einsamkeit gibt, über die Luke sich aufregen konnte. Das Blatt das im Winde wehte oder der Wanderer der Kilometer entfernt vor oder hinter uns lief. Jedes doch so ferne Geräusch oder Reiz zog er in sich auf und er gerat in einen Tunnel voller nicht kontrollierbarer Emotionen.  

Auf der Suche nach einer Lösung, reiste ich nun auch deutschlandweit zu verschiedenen Hundetrainern. Ich verzichte bewusst in meinem Blog auf die Nennung von Namen. Verschiedene Lösungsansätze wurden mir überzeugend präsentiert, ans Herz gelegt und zusammenfassend, benötigte Luke nur Führung und Korrektur. Parallel sollte ich einen artgerechten Hundesport mit ihm ausüben.

Luke trug nun einige Zeitlang einen Halti und natürlich war er dadurch leichter zu halten und zu lenken. Der nachgeahmte Schnauzengriff durch einen Ruck, hatte nur beim Trainingsgang mit der Trainerin Erfolg. Es folgten die bekannte Wasserflasche und das Anstupsen in die Flanken, sowie ein Bett und  Couchverbot. Der Hund sollte schließlich verstehen, wer der Boss ist.  

Die Situation verschlechterte sich erneut und zudem erschrak sich nun Luke vor mir und war weiterhin nicht ansprechbar, sobald wir die Tür verließen. Luke voller Stress und ich voller Angst jemanden zu begegnen. Unsere Spaziergänge ähnelten Spießrutenlaufen und Spaß hatte keiner von uns. 

Die Wende

In meinem ersten Blogartikel „Der Hochsensible Hund“ habe ich bereits über die entscheidende Wende in unserem Leben und vom Buch von Maria Hense „der hyperaktive Hund“ erzählt.

Nach einigen Suchen fand ich in Berlin eine Tierärztin und Verhaltensberaterin, die uns zu Hause besuchen kam und auf diese Thematik spezialisiert war. Nach einer tierärztlichen Vorkontrolle bat sie uns nun auf einen gemeinsamen Spaziergang. Ein Blick aus dem Fenster, ein Blick auf die Uhr und Luke das Geschirr, den Halti und das Halsband angelegt, verließen wir die Wohnungstür. Noch kurz gehorcht, dass keiner im Treppenhaus ist und runter ging es. Blick rechts und Blick links und ab nach draußen. 10 Minuten später, beendete die Trainerin unseren leidigen Spaziergang und wir gingen in die Wohnung zurück. 

Wir unterhielten uns noch einige Zeit und ich erzählte ihr, dass ein Freilauf ohne Ball uns nicht möglich war. Ohne Spielzeug hat er auf jeden Reiz heftig reagiert und wir nur so Orte mit fremden Hunden aufsuchen können. Ich erzählte ihr, wie Luke am Wasser mit seinem Spielzeug keine fremden Hunde ankläffte.  

Sie klärte mich über Stresshormone und Eigenbelohnung auf und dass Luke sich in einem hündischen Burnout befand. Bevor über eine Verhaltenstherapie und eine mögliche medizinische Unterstützung gesprochen werden konnte, sollte ich noch eine sehr mühselige und tägliche Hausaufgabe erledigen.

Ein Tagebuch! Jeder Spaziergang wurde in diesem Tagebuch erfasst. Wo wir liefen, welche Reize welche Reaktion ausgelöst haben und wie hoch sein Erregungslevel war. Ob er in dieser Situation ansprechbar war und wie lange er benötigte, um ansprechbar zu werden. Wie lange er schlief und ruhte.  Er ruhte selten, schlief eher vor Erschöpfung und stand den ganzen Tag unter Dauerstrom und Stress. Seine Blicke folgten uns durch die Wohnung und sein ständiges Hecheln war immer zu hören. 

Diagnose Burnout! Luke hatte ein hündisches Burnout. Da sein Stresslevel bereits sehr hoch lag und er sogar in der Wohnung nicht zur Ruhe kam, riet sie mir ein Medikament an. Eines, was in der Humanmedizin bei Depressionen und Burnout gute Ergebnisse erzielt hat. Mir war bewusst, dass Luke in seiner kleinen eigenen Welt voller Emotionen lebte und dass ein gesundes Leben in diesem Zustand nicht möglich ist. Sie ließ mir das Rezept da und ich schlief eine Nacht drüber. 

In diesem Artikel teile ich dir meine Erfahrungen mit meinem Hund. Ob dein Hund Anzeichen für eine Überforderung oder gar ein Burnout zeigt, solltest du von einem Fachkundigen beurteilen lassen. Die Stichpunkte unten kannst du gerne als Anhaltspunkte sehen.

  • In regelmäßigen Abständen hatte ich blaue Flecken und Blutergüsse an den Oberschenkeln. Im Tunnel schnappte er nach allen und ich musste dafür sorgen, dass er keine Menschen verletzte.
  • Ich saß weinend auf dem Feld, weil er trotz einsamer Orte wild hin und her sprang und nicht ansprechbar war.
  • Beim Gedanken mit ihm raus zu gehen, wurde ich unruhig, traurig und wütend im selben Moment.
  • Luke schlief erst ein, als er komplett erschöpft war und ruhte eher selten bis nie.
  • Zuhause verfolgte er mich auf Schritt und Tritt und hechelte wie wild.
  • Sobald ich den Ball in der Hand hielt, schien ich interessant und er griff mich an und bettelte nach seinem Ball.
  • Im Auto sprang er auf dem Rücksitz hin und her und ab und zu gegen die Scheibe. Auslöser waren meistens andere Hunde oder Fahrradfahrer, aber auch Menschen, die über die Ampel liefen. In der Box kläffte er dann zumindest nur noch und es war weniger gefährlich.
  • Knieverletzungen und leichte Verstauchungen sowie Rückenschmerzen gehörten zu meinem Leben.
  • Kinder wurden massiv verbellt und auf Abstand gehalten.
  • Ein Abstand von 50 Meter von Artgenossen war für Luke akzeptabel, umso geringer der Abstand zum Artgenossen war, umso heftiger seine Reaktion.
  • Er bellte nicht – er schrie – hysterisch und schmerzerfüllt.
  • …… kein schönes Leben

Ich ging am nächsten Morgen in die Apotheke.

Geschrieben im Februar 2021

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