In dem heutigen Beitrag möchte ich euch gerne ein paar Tipps an die Hand geben, wie Ihr euren Hund liebevoll und ohne unnötigen Stress in seinem exzessiven Verhalten unterstützen könnt. Das Training ist kleinteilig und wird ausschließlich über positive Verstärkung durchgeführt.
Alle unsere Hunde haben ein angeborenes Jagdverhalten. Bei einigen Hunderassen wurde es gezielt durch Züchtung “abgeändert”, zum Beispiel in hüten und es ist von Hund zu Hund unterschiedlich ausgeprägt vorhanden. Hetzen ist eine Sequenz aus dem Jagdverhalten und der fliegende Ball stellt eine wunderbare Beute dar. Selbstbelohnend ist das Hetzen auch und es werden viele biochemische Prozesse im Körper des Hundes angeregt. Klar, dass so viele Hunde es Lieben und ganz verrückt danach werden.
In dem Beitrag möchte ich euch beschreiben, wie ich es geschafft habe, meinen Ball-Junkie zu „heilen“.
Erstmal einige Anzeichen für einen Ball-Junkie:
- Dein Hund nimmt seine Umwelt nicht oder nur bedingt war.
- Mit Artgenossen findet keine oder nur wenig Interaktion statt.
- Sobald der Ball in die Tasche wandert, klebt dein Hund an dir. Er bettelt, bellt oder springt an dir hoch.
- Er gerät in eine Übersprungshandlung, z.B. sucht er Stöcker und schreddert diese, spielt mit Steinen oder jagt hinter allem, was sich bewegt.
- Dein Hund veranstaltet Zerrspiele mit der Leine, wenn sein Ball nicht rausgerückt wird.
- Etc.
In diesem Moment ist die Erregung und der Frust sehr hoch und der Hund hat Stress.
Aufbau des Trainings
Gegensätzlich zu vielen Meinungen, habe ich den Ball nicht von einem zum anderen Tag verschwinden lassen. Ich habe ein kleinteiliges und etwas zeitaufwendiges Training mit Luke gemacht. Dafür nachhaltig und möglichst stress,- und frustfrei.
Exzessives Verhalten wird ein belohnendes Verhalten , wenn es zur Stressverarbeitung eingesetzt wird.
ich
Im ersten Schritt habe ich mir zwei Laufstrecken ausgesucht, in denen möglichst wenig Ablenkung herrscht und ich in Ruhe mit ihm trainieren konnte. Die Dauer der Spaziergänge lag bei knapp einer Stunde.
In den ersten Tagen hat Luke seinen Ball, wie gewohnt, am Anfang des Spazierganges bekommen und war im Freilauf. Nun konnte er wie gewohnt mit seinem Ball hin und her rennen. Als er mir den Ball brachte und vor mir ablegte und in eine Lauerstellung ging, schmiss ich den Ball nur noch jedes zweite Mal -dann jedes Dritte, Vierte, usw. Er trug am Ende den Ball auf dem Spaziergang.
Nach etwa 1 Woche nahm ich die Schleppleine und hochwertige Leckerli mit. Mein Ziel war es nun eine Insel aufzubauen. Inseln sind Punkte auf deinem Spaziergang, wo du mit deinem Hund etwas Schönes machst. In unserem Fall versteckte ich seinen Ball und er durfte diesen suchen. Nach einigen Suchen nahm ich ihn mit vorigen Markersignal „Ende“ an die Schleppleine und wir tauschten den Ball mit dem 10-Leckerli Spiel aus. Anfangs flogen die Leckerli noch entsprechend seiner Erregungslage von rechts nach links. Immer langsamer werdend, bis er die Leckerli nur noch suchte. In den ersten Wochen klebte Luke an mir und ich dachte zeitweilig, dass er eine Nackenstarre bekommen würde. Sobald ich meine Hände in die Jackentaschen schob, drehte er sich wie ein Blitz um und gierte nach seinem Ball. Ich zeigte ihm meine leeren Hände und warf ein paar Leckerli auf den Boden zu suchen.
Ein Ritual war geboren
Es vergingen ein paar Tage und unser kleines Ritual war geboren. Luke lief mit seinem Ball direkt zur ersten Insel. Dort suchte er wie ein Weltmeister und es machte ihm richtig Spaß. Markersignal „Ende”, Schleppleine dran, Leckerli-Suche und Ball abgeben.
In den nächsten Wochen festigten wir unser Ritual und Luke begann nun auf dem Rückweg seine Umwelt zu erkunden. Inseln eignen sich perfekt, um aufgeregte Hunde wieder auf ein normales Erregungslevel zu bringen. Vorausgesetzt, die Insel besteht aus ruhigen Beschäftigungen. Tägliche Rituale geben Erwartungssicherheit. Erwartungssicherheit bedeutet Sicherheit.
Im nächsten Schritt tauschte ich den Ball gegen einen hochwertig gefüllten Futterbeutel. Nach kurzer Verwirrung, trug er nun auch diesen Stolz bis zu seiner Insel. Anstelle des Balls suchte er nun seinen Futterbeutel und wurde auch direkt aus diesem heraus belohnt. Er schnüffelte wie ein Weltmeister und brachte stolz seine Beute zu mir. Gemeinsam feierten wir diesen Erfolg. Markersignal „Ende”, Schleppleine dran, Leckerli-Suche und Futterbeutel abgeben.
Trotz Änderung des Spielzeugs verlief unser Ritual weiter so für einige Wochen. Er lief immer selbstverständlicher an der Schleppleine zum Auto und erkundete seine Umwelt immer länger.
Im nächsten Schritt sollte Luke seinen Futterbeutel an der Insel erhalten. Da er sich im Freilauf befand, sprang er an mir hoch und forderte lautstark sein Futterbeutel ein. Auf diesem Erregungslevel war auch eine Umlenkung auf Leckerli suchen nicht möglich. An der Insel angekommen, übergab ich ihm den Futterbeutel. Voller Frust wirbelte und schleuderte er ihn hin und her und rannte im Kreis. Als er sich beruhigte, übergab er mir nur den Futterbeutel und legte sich wie gewohnt ab. Die Insel war hektisch und er war stark gefrustet. Auch unser Ritual für den Rückweg lief wesentlich nervöser ab.
Die Strecke zur ersehnten Insel war, ohne Tragen des Futterbeutels, zu lang. Eine naheliegende Insel musste etabliert werden. Gedacht – getan und es lief gut. Unsere erste Insel befand sich nun unmittelbar vom Auto entfernt. Hin und wieder rannte er aufs Feld, um sich Stöcker zu suchen. Das tiefsitzende Muster war stärker als das neu erlernte. Denkt bei diesen Verhaltensmustern immer daran, dass tiefsitzende Verhaltensmuster auch tatsächlich tief sitzen und es seine Zeit braucht, diese mit dem neuen Verhalten zu überschreiben. Jedes Mal, wenn der Hund auf das alte Muster zurückgreift und ausführt, verliert das neu erlernte Verhalten. Aus diesem Grund nahm ich Luke von Insel zu Insel an die Schleppleine.
Der nächste Schritt war mitunter einer der anstrengendsten. Einen energiegeladenen Border Collie während des gesamten Spaziergangs an der Schleppleine zu halten und nur an den Inseln in den Freilauf zu schicken, ohne Frustration aufkommen zu lassen, war ein Kunststück. Es gelang mir mal mehr und mal weniger.
Wie bereits in den Schritten zuvor, war auch bald das Laufen an der Schleppleine für Luke normal und er freute sich auf seine Inseln.
Ein weiterer Meilenstein war erreicht. Nun hieß es ihn in den Freilauf zu lassen. Wie in den vergangenen Trainingsschritten bauten wir den Freilauf kleinteilig auf. Hier heißt es, genauestens seinen Hund beobachten und schauen, wann er Anzeichen zeigt, in sein altes Verhaltensmuster abzurutschen. Bei dem kleinsten Anzeichen ist es dann deine Aufgabe, ihm zu helfen. Ich nutze unser bereits nun sehr gefestigtes Leckerli suchen. Ich rief ihn zu mir und es flogen Würstchen und kleine Käsestückchen.
Mit der Zeit lief Luke nun immer öfter wieder frei und wir machten weiter fleißig unsere Inseln. Als er ein Stöckchen auf dem Feld fand, setzte er sich nun ab und schaute mich an. Ich lobte ihn und es flogen wieder Leckerli zum Suchen und wir liefen weiter.
Das von mir durchgeführte Training ist ein langes und auch anstrengendes Training, aber es lohnt sich. Auch nach langem Training muss ich immer wieder aufpassen, dass er in sein altes Verhaltensmuster nicht zurückfällt. Mit dem oben beschriebenen Training habe ich aber jetzt eine Alternative. Ich kann eine spontane Insel einbauen oder Leckerli verstecken. Seit August 2022 haben wir hobbymäßig mit Dummy-Training angefangen und ich hätte nie gedacht, dass er ein Spielzeug fliegen sieht und liegen bleibt. Wir haben nun auch eine Dummy-Insel etabliert.
Ich wünsche Dir viel Erfolg beim Training und beim Aufbau eurer Inseln. Die von mir angegebenen Zeiträume können von Hund zu Hund variieren. Bleibt geduldig und seid nicht enttäuscht, wenn es mal nicht so klappt wie gedacht. Seit da, um euren Hunden den Weg zu zeigen und hilft ihnen dabei.